2006

Pforzheim in Aufruhr

Schauspiel zur Lokalgeschichte

„Pforzheim im Aufruhr” heißt das Schauspiel, mit dem der Amateurtheaterverein Pforzheim die Saison 2006 im Kulturhaus Osterfeld eröffnete. Was für ein Omen: Schon vor der Uraufführung bricht tatsächlich Aufruhr in Pforzheim los – gegen genau dieses Stück und den Verfasser der Romanvorlage, Emil Strauß (1866 bis 1960), vor allem aber gegen das Osterfeld.

In dem Roman „Der Nackte Mann”, der 1912 erschienen ist, geht es um einen Konflikt zwischen Markgraf Ernst Friedrich und den Pforzheimern im Jahr 1604. Der Herrscher will den Bürgern, die dem lutherischen Glauben anhängen, mit Gewalt den Calvinismus aufzwingen. Als die Bürger Widerstand leisten, droht Krieg. Die nächtliche Erscheinung eines nackten Mannes wird als böses Vorzeichen eingeschätzt. Doch der Markgraf stirbt an „Schlagfluss”, und der Religionskrieg ist damit beendet.

Man kann diese Handlung als Plädoyer für Bürgersinn und Gewissensfreiheit interpretieren. Aber Strauß, 1866 in Pforzheim geboren und 1937 zum Ehrenbürger ernannt, war nachweislich ein Anhänger des Nationalsozialismus. Eine Tatsache, die im Programmheft nicht verschwiegen wurde. Diverse Kritiker, allesamt Lehrer der Osterfeldschule, sprachen sich gegen die Aufführung eines Dramas aus, das auf der Romanvorlage eines Nazi-Autors basiert. Die erbittert geführte interne und öffentliche Diskussion blieb trotz Kompromissversuchen ohne Einigung.

Das Stück wurde wie vorgesehen aufgeführt. Im Anschluss jeder Vorstellung wurde über das Stück und den Autor diskutiert, und es wurden Fragen gestellt. Doch das geschah durchweg ohne Polemik und Aufgeregtheit, der Aufruhr schien sich gelegt zu haben. Achtmal wurde das Stück gespielt, die Neugier war groß, der Besuch gut.